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Der Kaffeduft vermischt sich mit Zigarettenrauch und dem Geruch nach geöltem altem Holz. Sören sitzt in einem Holzstuhl am Fenster und zieht an seiner Zigarette. Das Aufnahmegerät läuft, draußen regnet es sommerlich.

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„Was bedeutet es für dich Musik zu machen? Was fühlst du dabei?“

„Viele Dinge. Es ist ein Rückzugsort, wo ich tief bei mir selber bin. Eine Art gleichschwebende Aufmerksamkeit, ähnlich der Meditation. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein und ich bin ganz im Hier und Jetzt. Es ist meine kleine Welt, frei von jeglichen Erwartungen. Für mich war Musik zu spielen auch immer ein Ort, wie ein innerer Garten in dem ich zurückgezogen und geschützt vor Blicken einfach bei mir selber sein kann. Im Song Windmills Hill geht es um einen solchen Garten. Aber selbst im schönsten Garten muss man manchmal mit Schatten leben. Die Windmühle aus Don Quijote ist hier die Schattenspenderin, wie ein Motor des Lebens. Ich werbe sehr dafür, die inneren Ängste und auch die Schattenseiten des Lebens anzuerkennen, denn immer Sonne gibt Wüste.“

„Hast du in deinen Songs viele solcher literarischen Bezüge? Woher kommen deine Ideen?“

„Ja, alle Kunstformen interessieren mich sehr. Ich finde es so unfassbar, dass der Mensch Kunst in sich trägt und es als natürliche Ausdrucksform seit Anbeginn seiner Existenz praktiziert. Und ich bin eben auch ein Mensch, der den künstlerischen Ausdruck wie die Luft zum Atmen braucht. Die Ideen für die Songs entstehen aus dem, was ich erlebe und verarbeite. Jeder Song auf dem Album steht für etwas, dass ich entweder direkt erlebt habe oder in mir stark resoniert hat. Ich habe viel in der Arbeit mit traumatisierten geflüchteten Menschen über die Realität einer Flucht und den Umgang mit den Schwächsten unserer Gesellschaft gelernt. Wenn ich dann Gesprächen in Talkshows lausche, habe ich den Eindruck, dass die Argumente eigentlich nur die eigene Angst abwehren sollen. An eine wirklich intensive und ehrliche Auseinandersetzung mit diesem Thema und den betroffenen Menschen ist dann natürlich nicht mehr zu denken. Es würde die eigene Angstabwehr sabotieren. Für mich fängt die Arbeit als Psychologe und erst recht als Künstler aber genau an der Stelle an und hört erst auf, wenn man den Song oder auch das Thema loslassen muss. So sind dann die Songs Blue Balloon und This is War entstanden. Zu jedem Song gibt es eine Geschichte, die aber nicht abgeschlossen gilt, solange der Song keine Identität bekommen hat. Aber das ist dann nicht mehr meine Aufgabe, sondern die der Hörer und Hörerinnen da draußen.“

„Inwieweit?“

„Wenn z.B. ein Song auf einer Hochzeit oder so gespielt wird, dann steht dieser Song zwar noch für eine Grundidee, aber durch seine Verwendung geht ja auch irgendwie seine Geschichte weiter. So kann es auch passieren, dass ein Song einen komplett neuen Namen erhält. Ich war jahrelang mit dem Pianisten Martin Herzberg auf Tour und da gab es einen solchen Vorfall. Ein sehr krankes Mädchen hatte einen von Martins Songs als ihr Lieblingslied auserkoren. Leider ist sie dann früh verstorben. Ihr zu Ehren heißt der Song heute Janas Lied. Sowas meine ich. Man kann das nicht planen, es passiert einfach und dann steht der Song eben für eine Erfahrung. Ich schätze eine gewisse erzählerische Bodenständigkeit und Realitätsbezogenheit und freue mich meine Songs in ihrer Entwicklung zu sehen.“

„Du bist auch Psychologe hast du gesagt. So im Allgemeinen hängt Künstlern oft das Image von leichter Verrücktheit nach. Hilft dir der Job beim Dasein als Musiker?“

„Uha, ich weiß es nicht. Wahrscheinlich. Ich denke, dass dies zwei verschiedenen Dinge sind. Wenn ich bei mir bemerke, dass etwas nicht stimmt und ich darunter leide dann würde ich jederzeit auch einen erfahrenen Kollegen oder Kollegin konsultieren. Es hilft mir bestimmt bei der Wahrnehmung und dem Einnehmen einer hineinfühlenden Perspektive. In dem Job geht es ja darum sich zurückzunehmen, genau zuzuhören und sich in den Dienst des Menschen zu stellen der da Hilfe sucht. Diesen Geschichten will und muss ich dann ganz viel Raum geben. Als Musiker hingegen, muss ich mir den Raum nehmen und ihn mit einer gewissen Egozentrik füllen. Beide Identitäten sind sehr gegensätzlich. Die Gemeinsamkeit allerdings, ist das Fundament der Geschichtenerzählung. Patienten erzählen mir ihre Geschichten, die zum Teil durchaus erschütternd sein können. Ich muss mich in diese Welt hineinfühlen und -denken. In der Musik hingegen erzähle ich die Geschichten. Sie basieren auf meiner Wahrnehmung und meiner Gefühls- und Erlebenswelt. Die Musik ist Sören, das bin ich. Sich einen Künstlernamen zuzulegen, um die beiden Identitäten trennen zu können ist mir nicht gelungen. Ich bin keine künstliche Figur. Will ich auch nicht sein. Natürlich will ich nicht der singende Psycho-Onkel sein, eher der Musiker, der durch die Psychologie eine andere Perspektive und damit auch Möglichkeiten hat Dinge zu hinterfragen. Aber es hat gedauert, bis ich zu der Erkenntnis gelangt bin und meine zwei Seiten zu akzeptieren gelernt habe. Auch dabei waren Freunde und Bekannte sehr hilfreich.“

„Dein letztes Album war eher psychodelisch und rockiger. Die neuen Songs hören sich sehr anders an. Und gehen in Richtung Folk, Crossover mit einem Hauch von Weltmusik. Wieso dieser musikalische Wechsel?“

„Das hat unterschiedliche Gründe. Zum einen habe ich das letzte Album größtenteils selber eingespielt und produziert. Es ist eigentlich ein musikalischer Roman, bzw. die Vertonung einer Geschichte, die ich geschrieben habe und auch immer noch schreibe. Dass ich immer noch an dem Text sitze, zeigt: Ich bin kein Schriftsteller, aber hatte Lust eine imaginative Welt zu erschaffen und dazu Songs zu schreiben. Der Stil ist deshalb psychodelisch, weil ich in der Zeit auch Sänger und Gitarrist in einer psychedelic Rockband war und mir dieses Genre gut gefällt. Durch den Wegfall der Band und meiner Hinwendung zur klassischen Konzertgitarre habe ich dann andere Musik kennen gelernt und mich darin vertieft. Ich habe dann beschlossen es bei diesem Album anders zu machen, den Geschichten sozusagen ihren Soundtrack zu verpassen, ihnen eine adäquate musikalische Kulisse zu geben. Wenn ich an meinen inzwischen leider verstorbenen Kater Rio denke, dann habe ich sofort die Assoziation von Gypsy Swing. Also musste der Song über Rio ein Gypsy-Swing Song sein, klare Sache. Country und Folk impliziert für mich Naturverbundenheit, Ursprünglichkeit und Freiheit. Ich glaube, dass jeder Stil auch für gewisse Werte und Bilder steht, die ich transportieren möchte.“

„Du singst auch in diversen Sprachen. Warum?“

„Ja auf Deutsch, englisch, französisch und Wunder-Sprache.“

„Warum Wunder-Sprache?“

„Ich hatte von dem Konzept des letzten Albums erzählt. Ungefähr zeitgleich haben Freunde von mir angefangen eine fantastisch-literarische Welt mit 2000-jähriger Geschichte aufzuschreiben. Ich fand, dass man für eine solch monumentale Welt einen Soundtrack braucht. Daher habe ich den Song für sie geschrieben. Und da wir hier von einer Fantasywelt reden, ist jener natürlich in der dazugehörigen Sprache geschrieben. Der Dialekt ist nur recht stark.“

„Und diese Fantasysprache, hat sie eine Bedeutung? Kann man sie übersetzen?“

„Diese Sprache ist eine rein lautmalerische, die Emotionen kommuniziert. Wie man die Konsonanten und Vokale miteinander kombiniert entscheidet meiner Ansicht nach auch welche Gefühle dabei entstehen können. Ich möchte an die Idee meiner Freunde anknüpfen und der Fantasie ihren freien Lauf zu lassen. Jeder Song ist eine Geschichte und ich finde es angemessen, die Geschichte mit ihrem Setting auch in der dazugehörigen Sprache zu singen.“

„Neben der Vielfältigkeit der Sprachen und Stile sind auch eine Menge verschiedener Instrumente zu hören. Hast du diesmal auch wieder alle Instrumente eingespielt?“

„Nein. Auch bei dem ersten Album war Vasco am Bass und die Sitar spielt mein guter Freund Stefan der jetzt in Andalusien lebt und den ich unbedingt mal wieder besuchen muss. Bei diesem Album war mir wichtig bei jedem Song weitere Leute dabei zu haben. Klar, die Gitarre, der Rhythmus und die Stimme bin ich. Aber Geige vom guten Benedikt, Akkordeon von Flo, abgefahrene E-Gitarren von Daniel und Jona, Frauenstimmen von Freundinnen, Klavier von Martin, Cello von Stefanie: Bei jedem Song ist irgendwer aus meinem Freundeskreis dabei. Das war mir wichtig, denn um sich selbst zu kreisen nimmt viele Möglichkeiten bei der Erschaffung von musikalischen Welten. Alleine ist man zwar manchmal schlauer, aber doch ziemlich blind. Auch bei der Postproduktion hatte ich tatkräftige Hilfe von Gunnar und beim Mastern von Carl. Dieses Album ist etwas, was wir zusammen erschaffen haben. Ich genieße es sehr mit anderen gemeinsam etwas zu erschaffen.“

„Wen möchtest du mit deiner Musik erreichen?“

„Ich möchte die Menschen ansprechen, welche mir seelisch nahe sind, ob wir uns nun schon kennen oder nicht. Suchende, Menschen, die gerne noch eine Ecke weiterdenken und die an echten Begegnungen Freude haben. Menschen die hinschauen, die dem Leben dienlich sein wollen, die sich einsetzen, die darauf vertrauen, dass diese Welt eine bessere sein kann. Das neue Album heißt nicht umsonst „Serving Life“. Ich bin kein Entertainer, der den Wunschsong spielt. Ich kann auch gar nicht Covern, will ich auch nicht. Ich mache meine Musik so wie ich das will und ich freue mich sehr über Menschen, die mit mir zusammen auf oder vor der Bühne den Moment gemeinsam genießen. Wie gesagt, wenn ich Musik mache, dann bin ich an einem Ort tief im Inneren der frei ist von Erwartungen. Auch von meinen eigenen. Das halte ich für sehr wertvoll und schützenswert.“

„Was möchtest du denn mit deiner Musik erreichen?“

„Verbindung und Anteilnahme. Aus Verbindungen werden Verbündete. Außerdem habe ich die Vorstellung, dass ich als 80-jähriger meinen Enkeln mal meine Alben in die Hand drücken werde und zu ihnen sage: „ Ja der Opa ist auch mal jung und langhaarig gewesen und wenn du wissen willst was den Opa so umgetrieben hat, dann höre dir meine Musik an.“ Da meine Musik so eng mit meinem Leben verknüpft ist, hat sie etwas Autobiografisches. Ich singe nur über Dinge, die mich beschäftigen. Wenn die Frage darauf abzielt, was ich kommerziell erreichen möchte, so kann ich wenig dazu sagen. Wie ich schon meinte: Die Hörer und Hörerinnen machen die Songs zu dem was sie sind. Und gerade in der Corona-Zeit haben wir ja gesehen, dass dieses jahrelange geplane und das Messen an Maßstäben von Erfolg so schnell wie Schnee in der Sonne schmelzen kann. Ich erwarte nichts in dieser Hinsicht, daher bin ich offen für alles was da kommt.“

„Ja, die Situation für Leute aus dem Bereich Musik war in letzter Zeit nicht einfach. Sind denn Auftritte geplant? Wann kann man dich und diese Musik live erleben?“

„Ja natürlich, das ist man den Songs und den mitwirkenden Personen einfach schuldig. Es macht keinen Sinn so viel Mühe in ein Album zu stecken und es dann nicht live zu spielen. Ein Musiker muss auftreten, das gehört einfach dazu. Wann allerdings das nächste Konzert sein wird, steht noch in den Sternen. Ich freue mich auf jeden Fall schon darauf, aber im Moment ist kaum etwas planbar.“